Alpencross Karwendel-Dolomiten
August 2002 (5 Etappen, 300 Km, 7500 Höhenmeter)
Sascha und ich (Wolle) haben im Sommer 2002 den Traum verwirklicht, die Alpen zu überqueren. Wir haben uns für eine geführte Tour von bike-alpin entschieden, an dieser Stelle ein dickes Lob an den Veranstalter und Gabi, unsere Tourenführerin.
Was wir bei unserem ersten Alpencross so alles erlebt haben, könnt ihr euch auf den nachfolgenden Seiten anschauen.
Etappe 1: von Hinterriss nach Fügen (19.08.)
Start der Alpencross-Tour ist Hinterriss, ein kleiner Ort in Österreich, südlich von Bad Tölz und nicht weit von der Landesgrenze entfernt.
Damit wir am Montag Morgen pünktlich starten können, wollen wir uns am Sonntag bis 18.30 Uhr im Hotel „Herzoglicher Alpenhof“ treffen. Viel zu früh gestartet kommen wir schon um 9.00 Uhr an. Glücklicherweise können wir die Frau am Empfang überreden, uns jetzt schon ins Zimmer zu lassen und haben so Gelegenheit, den versäumten Schlaf nachzuholen. Nachmittags trudeln dann nach und nach auch die anderen Teilnehmer und Gabi, die Tourenleiterin, ein. Wir kommen von Anfang an super miteinander klar.
Am nächsten Morgen geht´s dann endlich los. Nach einem letzten Bike-Check radeln wir durchs Rissbachtal bis in die Nähe des Ahornbodens. Hier biegen wir ab und bestreiten unseren ersten Anstieg hoch zum Plumsjoch. Bei der anschließenden Abfahrt ins Gerntal liege ich zum ersten Mal auf der Nase, an die steilen Schutt- und Geröllwege muss ich mich wohl erst mal gewöhnen. Die Schürfwunde am Knie sieht schlimmer aus als sie ist und Gabi´s Behandlung mit Desinfektionsmittel läst alle Schmerzen vergessen.
Im Gerntal machen wir Mittagspause und biken dann hinunter zum Achensee. Das Wetter ist super und einige von uns gehen eine Runde schwimmen.
Von hier aus geht´s gemütlich weiter entlang Inn und Ziller nach Fügen, wo wir im Kohlerhof unseren ersten Tag mit einem guten Essen und frischem Weizen ausklingen lassen.
Etappe 2: von Fügen zum Pfitscherjoch (20.08.)
Von Fügen aus geht es durch das Dornaubergtal zum Breitlahner und dann weiter auf Teerstraßen hoch zum Schlegeisspeicher. Das Wetter ist super und die Sonne brennt höllisch. Eincremen ist angesagt und auch dringend notwendig: keiner möchte das Gefühl kennenlernen, wenn die Rucksackriemen auf nassgeschwitzter und sonnenverbrannter Haut scheuern.
Der Weg zum Schlegeisspeicher zieht sich und obwohl wir die Staumauer schon vor Augen haben, scheint er kein Ende zu nehmen. Endlich oben angekommen, machen wir erstmal Pause und Armin hat Zeit, seinen kaputten Freilauf zu reparieren.
Jetzt wird´s ernst: die Teerstraße wird zum Wanderweg und der wird immer schmaler und steiniger. Wir sind auf dem Weg zum Pfitscherjoch, unserem heutigen Etappenziel. Es wird immer schwieriger, die großen Felsbrocken zu umfahren und die Absätze zu überwinden. Dann ist schieben angesagt und zuletzt geht nur noch tragen. Das Oberrohr meines Dogfish drückt auf mein Schlüsselbein, die beste Lösung besteht letztendlich darin, das Bike auf den Rucksack zu legen.
So steigen wir die letzten 200 Höhenmeter langsam zum Sattel auf. Die letzten Kohlenhydrate sind schon lange verbraucht, jeder Schritt formt jetzt die Figur. Keine Minute zu früh erreichen wir die Pfitscherjochhütte, denn kurze Zeit später zieht ein Unwetter aus dem Tal heran. Regen- und Hagelschauer wechseln sich ab und prasseln auf das Hüttendach.
Uns kann es egal sein, wir sitzen gemütlich in der warmen Gaststube und fühlen uns wohl.
Etappe 3: vom Pfitscherjoch nach Kienz (21.08.)
Am Morgen ist es saukalt vor der Hütte und außerdem regnet es. Also zwängen wir uns in die Regenklamotten und begeben uns auf die 10 km lange und 1500 Höhenmeter lange Abfahrt. Hier werden Mensch und Material getestet: es ist zu steil, um vorne zu bremsen und die Geröllpiste geht derbe auf die Handgelenke, trotz 100 mm Federweg. Am Ende der Talfahrt die Schadensbilanz: Sascha´s Bremsscheibe ist blau und verzogen, mein selbstgebauter Flaschenhalter hat sich irgendwo am Hang verabschiedet.
Was soll´s, dafür kommen die ersten Sonnenstrahlen raus und es wird wärmer. Also raus aus den Regenklamotten und die Strecke geniessen. Ein Highlight können wir allerdings nicht mitnehmen: das Wetter oben am Pfundererjoch ist zu schlecht, die Auffahrt zu riskant. Wir umfahren also den Berg und haben ein Abenteuer der ganz anderen Art: nachdem wir ein Sperrschild einfach ignoriert haben (ein Mountainbiker kennt keine Hindernisse) hört plötzlich der Weg vor uns auf. Wir stehen vor einem grösseren Erdrutsch und der einzige Weg liegt 10 Meter über uns. Per menschlicher Leiter reichen wir unsere Bikes nach oben und ziehen uns selbst nach.
Bis auf einen Reifenplatzer bei Thomas verläuft die weitere Fahrt problemlos und endet in Kienz (wer es noch nicht gemerkt hat: wir haben mittlerweile den Hauptalpenkamm überschritten und befinden uns in den Dolomiten).
Etappe 4: von Kienz zur Lavarellahütte (22.08.)
Ab Kienz geht es zunächst auf der Teerstraße weiter. Das erste Abenteuer ist eines der ganz anderen Art: eine Kollision mit einem Huhn. Das arme Tier hat wohl nicht mit so vielen Bikern auf einmal gerechnet und läuft mir völlig verschreckt in die Pedale. Es scheint aber nochmal alles gut gegangen zu sein.
Nach der Talfahrt folgt ein steiler und nicht enden wollender Anstieg zum Kronplatz. Völlig andere Dimensionen als im Siegerland: über 500 Höhenmeter ohne ein einziges Flachstück schlauchen ganz schön. Aber: nach einer gewissen Zeit findest du deinen Rythmus und dann läuft es. Genauso hat es Gabi dann auch organisiert: jeder kann am Berg sein eigenes Tempo fahren und am Ende trifft man sich wieder.
Das Ende ist in diesem Fall der Kronplatz und wir werden mit strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen belohnt. Also nichts wie raus aus den verschwitzten Trikots und erst mal auf der grünen Wiese relaxen.
Anschließend fliegen wir alle gemeinsam eine Schotterabfahrt runter und erreichen die Alm, wo das Mittagessen auf uns wartet. Alle bis auf einen. Frank fehlt, er hat ganz oben schon platt gefahren und seine super „in-der Sattelstütze-versteck-mich-Pumpe“ hat den Geist aufgegeben. Michael nutzt die Möglichkeit, sich endlich einmal austoben zu können: er fährt den Berg in einem Wahnsinnstempo hoch und bringt Frank die ersehnte Luft. Dem Mittagessen steht nun nichts mehr im Wege und die Gnocci schmecken hervorragend.
Weiter geht´s stetig ansteigend durch ein langes Tal zur Pederü-Hütte. Dann folgt das wohl schwerste Stück dieser Tour: 500 Höhenmeter am Stück im kleinsten Gang auf Schotter- und Geröllpiste fordern den letzten Rest an Kondition. Die Oberschenkel brennen und das Wasser verlässt den Körper schneller als man nachschütten kann.
Irgendwann weicht die Qual aber dann dem triumphierenden Gefühl, es geschafft zu haben. Vorbei an der bekannten Fanes-Alm fahren wir zur Lavarellahütte. Hier beziehen wir unser Nachtquartier, ein Elfbett-Zimmer. Aber das ist genau das richtige: ein Team – ein Zimmer. Trotz der Müdigkeit dauert es heute allerdings recht lange, bis alle Augen zu sind.
Die heutige Etappe hatte es in sich: auf einer Strecke von 55 Km haben wir 2105 Höhenmeter bezwungen.
Etappe 5: von der Lavarellahütte zur Plätzwiese (23.08.)
Das Wetter ist immer noch herrlich, kaum zu glauben. Wir nutzen die Sonne, um noch ein paar Bilder von der Gegend um die Hütte zu machen. Judith geht auf Kaninchenjagd (natürlich nur mit dem Fotoapparat).
Bevor die Beine warm sind, geht es schon wieder bergauf zum Limo-Joch. Oben angekommen stockt uns der Atem bei der Aussicht. Hier ist der richtige Platz für ein Gruppenfoto. Für den Wanderer, dem wir alle unsere Kameras in die Hand gedrückt haben, ist das bestimmt der Auftakt zu einer Karriere als Starfotograf.
Stunden später besteigen wir unsere Bikes und fahren weiter über den Pass hinunter in´s Ampezzotal. Und schon wieder ein Highlight. Auf dem Weg läst uns Gabi anhalten und absteigen. Zu Fuß klettern wir einen schmalen Pfad entlang und erreichen schließlich von hinten einen Wasserfall. Der Ampezzobach fällt hier in mehreren Kaskaden hinab in ein Meer von grünen Wäldern.
Nachdem sich alle satt gesehen haben, fahren wir weiter und erreichen um die Mittagszeit unser letztes Etappenziel, die Plätzwiese. Aber die Kette der überwältigenden Eindrücke soll noch nicht zu Ende sein. Nachdem wir unser Gepäck abgeladen und unser Mittagessen zu uns genommen haben, brechen wir auf zu unserem letzten Aufstieg. Vorbei an einer alten Ruine und über einen steinigen Pfad erreichen wir, zuletzt schiebend, den Strudelkopf.
Der Ausblick von hier toppt alles bisher dagewesene. Rundum erschließen sich uns die Bergmassive der Dolomiten einschließlich den gewaltig in den Himmel ragenden Drei Zinnen. Das ganze wird von einem bizzaren Schauspiel begleitet: Während die umliegenden Berge von der Sonne beleuchtet werden, geht auf uns ein Regen- und Hagelschauer nieder. Mit Hilfe von aufgespannten Jacken und Westen gelingt es uns trotzdem, die Eindrücke auf Celluloid, sorry, ich wollte sagen auf Chipkarte zu bändigen.
Zurück in unserer Hütte werden wir in unserem Schlafgemach erst einmal auf den Boden der Tatsachen gebracht: ein 28-Bett-Zimmer mit einem kleinem Duschraum für alle, na das kann ja dauern. Tut es auch. Währenddessen verbreitet sich im Schlafraum langsam der Duft unserer Klamotten, keiner hat mehr Lust zu waschen.
Wir begiessen den letzten Abend mit einem Extra-Weizen und lassen den Film der vergangenen 5 Tage noch einmal vor unseren geistigen Augen ablaufen. Die letzte Gelegenheit um Erfahrungen und Eindrücke auszutauschen, denn am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen. Eine letzte Abfahrt und wir werden von einem Reisebus zu unserem Startpunkt, dem Herzoglichen Alpenhof in Hinterriss, zurückgebracht.
Eine Tour geht zu Ende. Eine Tour, bei der ich mir sicher bin, dass ich auch in 10 Jahren noch gerne daran zurück denken werde.